"Rein eingeschenkt" vom Weinmanager - Folge 7

Das Weinjahr 2023 in Deutschland war nicht einfach, umso erfreulicher das Fazit der 50. Mainzer Weinbörse des VDP: Die deutsche Winzerelite hat allen Launen der Natur zum Trotz Weine von sehr guter bis exzellenter Qualität erzeugt. Dennoch ist die Stimmung unter den Winzern aktuell schwer getrübt: Die Bilder von den Feuertonnen in den Weinbergen waren vor kurzem durch die Medien gegangen. Doch was so romantisch aussah, hat dramatische Dimensionen. Es gibt erste Berichte von frostbedingten Ernteausfällen bis zu Existenz bedrohenden 100 %. 

Der fortschreitende Klimawandel, eine schwierige Lese und große Herausforderungen für die Winzer haben das Weinjahr 2023 geprägt. Doch die Topwinzer lernen immer besser mit den Launen der Natur umzugehen. Das Ergebnis der 50. Mainzer Weinbörse am 28./29.04.2024, bei der 191 der insgesamt 200 Mitglieder des Verbands Deutscher Prädikatsweingüter vertreten waren: Die VDP-Weingüter haben überaus feine, elegante und harmonische Weine der fruchtigen und leichteren Art gekeltert. Genau das, was der Markt braucht. Ein Anbaugebiet sticht dabei besonders heraus: Das Weinjahr 2023 hat beste Aussichten, als "Jahr des Mosel-Rieslings" in die Annalen einzugehen. 

Doch statt ungetrübter Freude über die Weine des Jahrgangs 2023 herrschte bei der VDP-Veranstaltung eine mehr als bedrückte Stimmung. Der Grund: Die dramatischen Berichte über die Frostschäden in den Weinbergen nur wenige Tage zuvor. Von einer "Woche des Schreckens" für die Winzer war da die Rede und von Ernteausfällen bis zu 100 %, auch unter den VDP-Winzern.

Frost im April? Das ist doch keineswegs ungewöhnlich und wird es auch in Zukunft geben. Doch was den Winzern große Sorgen macht, ist der immer frühere Pflanzenaustrieb, forciert durch den Klimawandel. Und dieses "Zusammenspiel" hatte heuer fatale Folgen. Auch mein Weingut Carl Loewen ist betroffen, wie ich am Donnerstag in einem Telefonat mit Christopher Loewen erfahren habe. Der Betrieb ist aller Voraussicht nach aber mit einem "blauen Auge" davongekommen. 

Christopfer Loewen rechnet für den Jahrgang 2024 mit einem Ernteausfall von ca. 40 %. Bleibt zu hoffen, dass  die weitere Vegetationsperiode einigermaßen normal verläuft und dass es keine weiteren Schreckensmeldungen gibt. Etwa 80 % seiner Weinberge - so die erste Schätzung - seien frostgeschädigt, allerdings in sehr unterschiedlichem Maße. Manche Lagen sind völlig "unversehrt", andere haben dagegen "Totalausfall". Ein harter Schlag für das Weingut, wie Christopher Loewen einräumt: "Da kommt man als junger Winzer mit Blick auf die Zukunft schon ins Grübeln." Aber man habe auch früher schon schlechte Jahre erlebt und überstanden.

Ein Vorteil ist dabei laut Christopher Loewen die gesunde und schlanke Betriebsstruktur. Durch das hohe persönliche Engagement der Familie können die Lohnkosten vergleichsweise niedrig gehalten werden. Deshalb steht das Weingut Carl Loewen gegenüber größeren Betrieben noch ziemlich gut da und verfügt auch über Rücklagen. Ob sie nun allerdings wie geplant für den Neubau eines Gebäudes eingesetzt werden können oder zur Ausfallüberbrückung herhalten müssen, steht derzeit noch nicht fest.

Beim Vergleich mit den ebenfalls erheblichen Frostschäden 2017 weist Christopher Loewen auf einen gravierenden Unterschied hin: Damals waren die Anbaugebiete und Winzer relativ gleichmäßig betroffen und die finanziellen Folgen für die Weingüter konnten mit moderaten Preiserhöhungen auf breiter Front etwas gemildert werden. In diesem Jahr aber sind die Frostschäden sehr "ungerecht verteilt": Es hat leider ausgerechnet die Toplagen getroffen, während der Massenweinanbau in der Ebene verschont geblieben ist.

Christopher Loewen kennt persönlich Winzer mit einer Ausfallquote von 100 % und damit in Existenz bedrohenden Dimensionen. Seine Befürchtung: "Einige Weingüter wird es im nächsten Jahr nicht mehr geben."

Manfred Hailer, im Mai 2024