Die neue Offensive der Anti-Genuss-Allianz

"Rein eingeschenkt" vom Weinmanager - Folge 11

Moderater Weingenuss geht einher mit positiven gesundheitliche Wirkungen. Jahrzehnte lang galt diese für Weinliebhaber natürlich willkommene Aussage - gestützt auf eine Vielzahl von Untersuchungen und Studien - als allgemein anerkannt. Doch plötzlich soll nun alles ganz anders sein. Mit ihrer radikalen Umkehr hat die Weltgesundheits-Organisation  kontroverse Diskussionen ausgelöst und die Weinliebhaber in Gewissensnöte gestürzt. Über eine fragwürdige Kehrtwende, ihre zweifelhaften Hintergründe und meinen Vorsatz für das neue Jahr ...

Das subjektive Empfinden von Weinliebhabern, dass ihr Lieblingsgetränk ihnen "gut tut" oder gar wie Medizin wirkt, ist so alt wie der Wein selbst. Bereits der griechische Philosoph Plutarch (45-125) stellte etwa fest: "Der Wein ist unter den Getränken das nützlichste, unter den Arzneien das schmackhafteste und unter den Nahrungsmitteln das angenehmste." Und der berühmte britische Weinkritiker und -autor Hugh Johnson konstatierte: „Weintrinker sehen gut aus, sind intelligent, sexy und gesund!“ 

Auch wenn nicht überliefert ist, nach wie vielen Flaschen Wein er diesen euphorischen Ausspruch getätigt hat: Das hören und glauben wir als Weinliebhaber natürlich gerne. Trotzdem stellen sich Fragen wie: Ist bei uns Weinliebhabern nur der Wunsch oder gar der Alkohol selbst Vater des Gedankens? Was sagt die moderne Wissenschaft dazu? Kommt sie zu ähnlichen Erkenntnissen wie etwa Plutarch? Und wie reagieren unser Körper und unsere Gesundheit auf Weingenuss?

Jahrzehnte lang schienen diese Fragen durch eine Vielzahl von Studien und Untersuchungen beantwortet zu sein. Den Anfang machte zu Beginn der 1980er-Jahre eine weltweite Studie der „Organisation International du Vin“ über den Zusammenhang von Weinkonsum und tödlichen Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Männern zwischen 55 und 64 Jahren. Dabei stellte sich heraus, dass die Herzinfarkt-Rate ausgerechnet bei den "Weltmeistern" im Wein trinken am geringsten war: den Franzosen. Besonders für die US-Amerikaner damals ein Schock.

Einen wahren Hype um das Thema Wein und Gesundheit löste aber erst eine Folge der amerikanischen TV-Show „60 Minutes“ im Jahre 1991 so richtig aus. Darin wurde über eine Studie unter Menschen aus mehreren Industrienationen berichtet. Das verblüffende Ergebnis: Obwohl sich die Franzosen von besonders viel Alkohol, Butter und Sahne ernährten, litten sie signifikant weniger unter typischen Zivilisationskrankheiten als Menschen anderer Länder. Es wurde der Begriff vom "French Paradox" geprägt und fast über Nacht stieg der Rotweinkonsum in den USA um mehr als 40 %!

Seither gab es eine Vielzahl weiterer Studien und Untersuchungen. Aufgrund ihrer Ergebnisse galten die positiven gesundheitlichen "Nebenwirkungen" von moderatem und bewusstem Weingenuss als allgemein anerkannt. Sowohl die Weltgesundheits-Organisation (WHO) als auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) definierten sogar Grenzen für die noch "gesunde" Menge Wein pro Tag. Doch in jüngerer Zeit hat es eine überraschende und schwer nachvollziehbare Kehrtwende gegeben, die kontroverse Diskussionen ausgelöst hat.

Die neue Linie: Jeder Tropfen Alkohol ist Gift - egal in welchem Getränk. Getrieben wird die neue Anti-Alkohol-Kampagne von der WHO. Während die Fachorganisationen anderer Länder den neuen Empfehlungen kritisch gegenüber stehen oder sie sogar offen verurteilen, ist ihnen die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) bereits gefolgt. In einem Positionspapier vom August 2024 predigt sie nun ebenfalls den kompletten Verzicht auf Alkohol. Diese radikale Umkehr und die grundsätzliche Stigmatisierung von Alkohol stößt nicht nur in der deutschen und internationalen Weinbranche auf Kritik, sondern auch in wissenschaftlichen Fachkreisen. Denn sie erfolgte ...

... ungeachtet der vielen Studien, die zu den oben genannten Ergebnissen gekommen sind und moderatem Weingenuss gesundheitsfördernde Wirkung zuschreiben,
... ungeachtet der Tatsache, dass man bei der gesundheitlichen Bewertung Wein nicht mit anderen alkoholischen Getränken über einen Kamm scheren kann,
... ungeachtet der großen Zweifel, die man in Fachkreisen an den Protagonisten dieser Entwicklung und ihren angeblichen Erkenntnissen hegt.

Es handelt sich dabei um zwei kanadische Wissenschaftler, die in der WHO offensichtlich großen Einfluss besitzen. In Zweifel gezogen wird von anderen Experten sowohl ihre Fachkompetenz auf diesem Gebiet als auch ihre Vorgehensweise und Unabhängigkeit - unter anderem weil sie ihre pauschale Alkohol-Verdammung nicht auf eigene Untersuchungen stützen. Es scheint vielmehr so, als hätten sie sich aus der Vielzahl von Studien gezielt ein paar wenige herausgepickt, die ihre - vermutlich schon vorher feststehende - Haltung unterstützen.

Dazu muss man wissen, dass die kanadischen Wissenschaftler beide enge Verbindungen zu einer Organisation namens Movendi International. haben Diese wurde bereits 1851 in den USA gegründet, damals noch als "International Order of Good Templars" ("Guttempler") Es handelt sich dabei um eine strenge Abstinenz- und Temperenz-Bewegung. Auch wenn Movendi sein Betätigungsfeld mittlerweile erweitert hat, bildet die Grundidee immer noch das Fundament der Aktivitäten. So auch beim deutschen Ableger "Verein der Guttempler". Da kann ich nur sagenEin Schelm, der Böses dabei denkt ...

Für mich klingt das verdächtig nach einem zweifel-/fehlerhaften Ansatz oder nach bewusster Falschinformation und Manipulation. Und ich behaupte: Wir haben es mit einer neuen Offensive einer Anti-Genuss-Allianz aus Abstinenzlern, Asketen, verklemmten Spaßbremsen und regulierungssüchtigen Bürokraten gegen uns Genießer und Weinliebhaber zu tun. Die gleichen Tendenzen erleben wir doch auch beim Essen. Allen, die gerne Fleisch essen, wird mit Gewalt ein schlechtes Gewissen einzureden versucht, um sie zu Vegetariern oder noch besser Veganern umzuerziehen. Statt Genuss am Essen und Trinken also Verzicht? Nicht mit mir! Das alles ändert nämlich nichts an meinem Vertrauen in die gesundheitsfördernden Wirkungen von moderaten Genuss natürlich gemachter und qualitativ hochwertiger Weine. 

Obwohl der Jahreswechsel noch vier Wochen entfernt ist, habe ich aus diesem Grund schon jetzt meinen wichtigsten Vorsatz für 2025 gefasst: mich von der "Anti-Genuss-Mafia" nicht einschüchtern und mir die Freude am Genießen nicht nehmen zu lassen. Bleibt zu hoffen, dass die Hardcore-Abstinenzler nicht noch mehr Einfluss gewinnen und sich die Politik nicht zu weiteren unsinnigen Repressalien gegen die Genießer verleiten lässt. Leider haben wir in den letzten Jahren in anderen Bereichen erschreckende Tendenzen zu einer immer stärkeren Einschränkung unserer persönlichen Freiheit und zu einer zunehmenden Gängelung durch den Staat erlebt. Das stimmt mich schon nachdenklich …

Manfred Hailer, im Dezember 2024

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Weinmanagement
Manfred Hailer

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